Von Bodo Hombach, Geschäftsführer WAZ-Mediengruppe, promedia 11/2009
In den letzten Jahren ließen Unternehmensberater nur ein Mantra gelten: Reduktion auf das Kerngeschäft. Dieses Motto musste jeder beten, der als professionell gelten wollte. Der Veranstalter hat mir für die Münchener Medientage das Diskussionsthema „Diversify or Die? Die Transformation der Medien“ aufgetragen, allerdings noch mit Fragezeichen. Eine wunderbare Provokation, die selbst einen Urlaubenden zu Gedankenflügen anregt. Zum Thema hier meine grundsätzlichen Erfahrungen, Thesen, Reflexionen.
Es war einmal… So beginnen Geschichten von Medienunternehmen, die sich einst auf ein Kerngeschäft konzentrierten, das sie traditionell betrieben und für das sie sich kompetent und zuständig hielten. Damals gab es nur wenige Verteilungswege. Die Herstellung der Produkte war teuer und setzte einen großen Apparat voraus. Man grenzte sich von den Konkurrenten ab und versuchte, seinen Marktanteil zu erweitern. Man hatte seine Klientel, seine „Gemeinde“. Abonnenten und Inserenten, Hörer und Seher boten eine verlässliche Basis. Man war überzeugt, in alle Zukunft würde es so weitergehen. Ging es aber nicht. Technische Innovationen vervielfältigten und beschleunigten die Verteilungswege. Die dazu nötigen Geräte wurden billiger, flexibler und ständig besser. Kleine Produktionseinheiten mit schlanker Organisation, großer Effizienz und ohne lähmende Selbstzweifel verbilligten die Herstellung der Produkte. Heute reagieren Medien überall und fast gleichzeitig mit den Ereignissen. Die medialen Supermächte, die eben noch glaubten, die Welt gehöre ihnen, sahen sich plötzlich von kleinen und flinken Konkurrenten geplagt. Wir haben gelernt, was asymmetrische Kriege sind. Man kann ebenso gut vom asymmetrischen Kampf um die Claims und Ressourcen der Medienlandschaft sprechen. Continue reading Auch das neue Medienzeitalter bedarf einer Medienethik. Die Transformation der Medien→
Von Dr. Christoph Wagner, Rechtsanwalt, Hogan & Hartson Raue, promedia 11/09
Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat die Regeln für die Versteigerung der ehemals vom Rundfunk genutzten Frequenzen im Bereich 800 MHz (die so genannte „digitale Dividende“) wie geplant verabschiedet. Die Antragsfrist für die Bieter läuft bis 21. Januar 2010; die eigentliche Auktion soll dann im zweiten Quartal 2010 stattfinden, wenn sie nicht noch durch die Gerichte gestoppt wird. Die Mobilfunkunternehmen O2 und E-Plus kritisieren die Vergaberegeln, weil sie ihrer Meinung nach die großen Anbieter T-Mobile und Vodafone bevorzugen, die schon über mehrFrequenzspektrum verfügen. Aus gleichem Grund hatte die EU-Kommissarin Reding noch versucht, das Verfahren mit einem Schreiben an die BNetzA zu beeinflussen und gar ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik angedroht. Schließlich hatten Sendeunternehmen und Kabelnetzbetreiber technische Bedenken gegen die Störungen des DVB-T und Kabelempfangs durch die neue LTE-Netztechnologie vorgebracht (vgl. ProMedia 5,2009). Alles ohne Erfolg.
Der aus 16 Bundestagsabgeordneten und 16 Ländervertretern bestehende BNetzA-Beirat stimmte dem umstrittenen Versteigerungsdesign einstimmig zu und die Präsidentenkammer der BNetzA hat die kontroversen Regeln nun verbindlich festgesetzt. Das ist um so erstaunlicher, als viele der Beiratsmitglieder einschließlich des Beiratsvorsitzenden Junghans aufgrund der vorausgegangenen Bundes- und Landtagswahlen ihr Beiratsmandat demnächst abgeben müssen, also aktuell gar nicht mehr für so weittragende Entscheidungen legitimiert sind. Die
Art und Weise, wie die BNetzA das Verfahren gegen alle Widerstände und Bedenken im Eiltempo vorantreibt, entspricht allerdings der bisherigen Vorgehensweise: Zunächst wurden die Eckpunkte für die Vergabe festgelegt, ohne dass die Länder und der Bundesrat das Verfahren abgesegnet hatten. Dann soll die Vergabe der 800 MHz-Frequenzen aus Beschleunigungsgründen mit anderen, seit langem zur Versteigerung anstehenden Mobilfunk-Frequenzen oberhalb 1 GHz verbunden werden, wodurch die digitale Dividende sehr mobilfunkorientiert und gegen
Meistgebot vergeben werden wird. Schließlich wird die Vergabe ausgeschrieben, obwohl die BNetzA selbst noch nicht geklärt hat, welche Störungen von der neuen LTE-Netztechnologie auf den Kabel- und DVBFernsehempfang ausgehen. Alles also nach der Devise: Augen zu und durch? Continue reading Zur geplanten Versteigerung ehemaliger Rundfunk-Frequenzen: Digitale Dividende – für wen eigentlich?→
Nutzung der Digitalen Dividende
Bundesregierung will Breitbandausbau im Festnetz und bei Mobile weiter beschleunigen
Interview mit Dr. Rudolf W. Strohmeier,
Kabinettschef der EU-Kommissarin für Informationsgesellschaft und Medien
Etwa ein halbes Jahr nach Anlauf der Breitbandstrategie der Bundesregierung diskutierte die Initiative D21 unter dem Motto „Keine Zukunft ohne Breitband“ über den Stand der Umsetzungen. Das Engagement der Politik würde auch nach der Wahl nicht nachlassen, versicherte Wirtschaftsstaatssekretär Dr. Bernd Pfaffenbach. Die rasante Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie habe alle Lebensbereiche erfasst und würde das 21. Jahrhundert in der Form bestimmen, wie die Eisenbahn das 19. Jahrhundert. „Durch die Vorarbeit der Arbeitgruppe 2 des IT-Gipfels wurden wichtige Grundlagen für die Breitbandstrategie geschaffen“, so Pfaffenbach. Es gäbe keinen Grund, mit dem Breitbandausbau zu zögern. Pfaffenbach wies darauf hin, dass das Ziel, bis Ende 2010 mindestens 1 MBit/s für alle Nutzer bereitzustellen, beim jetzigen Tempo nicht erreicht werden könnte. Weil die „weißen Flecken“ erfahrungsgemäß nicht über den Markt zu erschließen seien, habe die Bundesregierung die Förderbedingungen durch finanzielle Mittel aus dem Konjunkturprogramm II verbessert. „Insgesamt stehen 300 Millionen Euro öffentlicher Mittel zur Verfügung“, so Pfaffenbach. Zugleich betonte Pfaffenbach die außerordentliche Bedeutung von Funklösungen. Es müsse eine Kombination aus Leitungs-und Funktechnologien geben. „Funklösungen sind mehr als nur Ersatz für leitungsgebundene Angebote.“ Sie würden für die nötige Mobilität sorgen, wie es sie bereits im Telefonbereich gibt. Es gehe daher nicht um die Frage „Funk oder Festnetz“, sondern um die zügige flächendeckende Breitbandversorgung. Diese Position wird bereits seit Längerem auch von der EU-Kommission vertreten.
promedia: Herr Strohmeier, in Deutschland werden demnächst Rundfunkfrequenzen für die Internet-Übertragung versteigert. Ist die EU-Kommission mit der Verwendung der Digitalen Dividende in Deutschland zufrieden?
Rudolf W. Strohmeier: Wir sind froh, dass es überhaupt zu einer Neuverwendung kommt, nachdem noch vor 2 ½ Jahren die Vertreter der öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter das Vorhandensein einer digitalen Dividende in Deutschland brüsk verneint hatten. Wir werden allerdings genau darauf achten, dass die Digitale Dividende nun auch wettbewerbsneutral verteilt wird.
promedia:Es wird vorgeschlagen, einen Teil der Einnahmen der Versteigerung für einen Digitalisierungsfonds zu verwenden. Was halten Sie davon?
Rudolf W. Strohmeier: Grundsätzlich ist es Aufgabe der Mitgliedstaaten zu entscheiden, wofür sie die Erlöse der Digitalen Dividende verwenden wollen. Die Schaffung eines Digitalisierungsfonds ist hier sicher eine interessante Idee, sofern dessen Tätigkeit der Allgemeinheit zugute kommt. Das Problem scheint mir dabei allerdings zu sein, Versuchungen zu widerstehen, mit diesem Geld Standards zu subventionieren, die sich am Markt nicht durchgesetzt haben. Continue reading Das mobile Funksystem ist keine Notlösung→
Interview mit Christian Töpper, Geschäftsführer Presse-Programm-Service GmbH (pps)
Die Presse-Programm-Service GmbH (pps) ist einer der führenden Publishing-Dienstleister Europas bei Programminformationen aus den Ressorts TV, Radio und Internet. pps ist ein Tochterunternehmen der dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH, einer der größten Nachrichtenagenturen weltweit. Über 100 Tageszeitungen, Programmzeitschriften und TV-Supplements aus dem In- und Ausland nutzen die Leistungen von pps wie Programmdatenbereitstellung oder die komplette grafische und redaktionelle Erstellung von TV-Seiten. pps ist für nahezu alle großen Verlagshäuser in den deutschsprachigen Ländern sowie den Niederlanden und Frankreich aktiv. Das Leistungsspektrum reicht von Basisdiensten wie TV-Datenzulieferung und Redaktion bis hin zu Aufbau und Betrieb von kundenpezifischen Content-Management-Systemen, Prozessentwicklung und Steuerung von Produktionsabläufen sowie dem Qualitätsmanagement von Kundenprozessen. Seit Anfang des Jahres werden die Film-Kino- und DVD-Empfehlungen und -Informationen auf moviepilot.de durch tagesaktuelle, redaktionell aufbereitete TV-Programminformationen von pps ergänzt.
promedia: Herr Töpper, die Zahl der Angebote in Fernsehen und Internet nimmt weiter zu. Wie behält man den Überblick?
Christian Töpper: Uns sagen 580 Sender, was sie gerade senden. Das ist in der Tat sehr unübersichtlich und deshalb müssen wir Strukturen schaffen, indem wir das Material sortieren, vereinheitlichen, Zuordnungen treffen und dann mit Hilfe von Software und qualifizierten Mitarbeiten übersichtlich gestalten. Auf Basis dieser Vorarbeit kann man daraus am Ende ein Printprodukt, ein elektronisches Produkt oder etwas für Mobile Devices machen.
promedia: Nun sitzen Sie zwischen zwei Stühlen: Auf der einen Seite wollen die Sender, dass ihre Angebote in den Medien platziert und verbreitet werden. Auf der anderen Seite gliedern sich die Kunden in spezielle Zielgruppen mit speziellen inhaltlichen Vorstellungen. Wie lässt sich beides in Übereinstimmung bringen?
Christian Töpper: Das ist relativ einfach: Wir leisten, wofür uns unsere Kunden – überwiegend Programmzeitschriften, Tageszeitungen und elektronische Medien – bezahlen. Dabei beachten wir natürlich die Regeln, die uns die Sender aufgeben. Das heißt z. B., dass wir dieVerschlagwortung so entwickeln, wie sie etwa eine „Bild“-Zeitung haben will und nicht wie ein Sender, beispielsweise RTL. Ebenso beschreiben wir Sendungen durch eine eigene Textredaktion und nicht zwingend so, wie die Sender es sich vorstellen.
promedia: Was geschieht mit den Pressetexten der Sender?
Christian Töpper: Wir nehmen die Pressetexte der Sender zunächst einmal entgegen, denn es gibt auch Kunden, die sie verwerten möchten. Für andere Kunden hingegen schreiben wir entweder eigene Texte oder, wenn die Sender es in ihren Bedingungen gestatten, überarbeiten die Texte der Sender.
Interview mit Prof. Dr. Dieter Dörr, Direktor des Mainzer Medieninstituts, von Helmut Hartung / Promedia Ausgabe 08/2009
Der neue Rundfunkstaatsvertrag erlaubt nach Auffassung des Medienrechtlers Prof. Dr. Dieter Dörr nur „ausnahmsweise“ eine Verlängerung der Verweildauer für den Abruf öffentlich-rechtlicher Sendungen im Internet. Für eine Verlängerung durch den Drei-Stufen-Test, die über den Normalwer t von sieben Tagen hinausgehe, müssten die Gremien von ARD und ZDF eine „besondere Begründung“ liefern, stellt Dörr in einem Gutachten des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) fest. Der VPRT hat Dieter Dörr, Direktor des Mainzer Medieninstituts, beauftragt, die verfahrensmäßige Ausgestaltung des Drei-Stufen-Tests vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelungen ergebnisoffen zu untersuchen und darzustellen. Dabei sollte das Gutachten unter anderem die Transparenz der Verfahren, die Einbeziehung Dritter sowie die rechtlichen Anforderungen an eine Verlängerung der so genannten Verweildauer, für das zeitliche Auswertungsfenster der Online-Inhalte, untersuchen.
Prof. Dr. Dieter Dörr
promedia: Herr Dörr, warum wird so heftig über die Formen und den Ablauf des Drei-Stufen-Tests debattiert?
Dr. Dieter Dörr: Mit dem Drei-Stufen-Test muss sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Bereich der Online-Angebote stets selbst klarmachen, ob das jeweilige Angebot zu seinem Auftrag gehört und einen publizistischen Mehrwert mit sich bringt. Man muss also wesentlich stärker als vorher über den eigenen Programmauftrag nachdenken, was ich für eine überaus vorteilhafte Wirkung dieses neuen Drei-Stufen-Tests halte. Zum anderen verändert der Test die Entscheidungsstrukturen innerhalb des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, weil die Rundfunk- und Fernsehräte wichtige eigene Kompetenzen erhalten. Sie haben im Drei-Stufen-Test darüber zu befinden, ob die Kriterien, die das Gesetz vorgibt, durch das neue Angebot eingehalten werden oder nicht. Die Kompetenzen werden damit teilweise von den Intendanten und der Leitung der Anstalt auf die Gremien verlagert.
promedia: Werden die Rundfunkräte zu strategischen Instanzen?
Dr. Dieter Dörr: Der Rundfunkrat wird zu einer Entscheidungsinstanz, denn die Planung liegt auch weiterhin beim Intendanten: Er bestimmt mit seiner Vorlage an den Rundfunkrat, was die Anstalt im Bereich der Online-Angebote anbieten möchte. Die Rundfunkräte bzw. der Fernsehrat beim ZDF haben über dieses Vorhaben zu befinden und dürfen nicht ein anderes Vorhaben an die Stelle setzen. Aber sie müssen entscheiden, außerdem können sie Änderungen anregen.
Interview mit Gert Zimmer, Geschäftsführer RTL Radio Deutschland – von Helmut Hartung / Promedia Ausgabe 06/2009
Radios sind von der Werbekrise weniger betroffen als andere Medien, leichtes Plus im ersten Quartal
RTL-Radiogruppe beurteilt Nutzen der Digitalisierung des Radios weiterhin skeptisch
Internet neben UKW als zweite Säule der Programm- und Angebotsverbreitung für Hörfunksender
Am 25. März 2009 haben die Länder die Bedarfsanmeldung für eine bundesweite Bedeckung mit digitalem Hörfunk in Band III beschlossen, so dass nach der Planung der Länder und der Landesmedienanstalten spätestens im kommenden Jahr der Neustart des Digitalradios im Übertragungsstandard DAB plus erfolgen soll. Doch die Länder haben die Rechnung anscheinend ohne die Sender gemacht. Den ARD-Anstalten fehlt für die Investition in die digitale Sendertechnik das Geld, abgesehen davon, dass sie keine landesweiten Programme verbreiten dürfen, und die privaten Sender sind immer weniger geneigt, Millionen von Euro in das Digitalradio zu investieren.
So betonte der Geschäftsführer der RTL-Radiogruppe Gert Zimmer gegenüber promedia: „Wenn die Politik bei der Einführung der terrestrischen Digitalisierung Dringlichkeit suggeriert, dann ist das aus meiner Sicht für viele Anbieter Beihilfe zur Fahrt in eine Sackgasse. Die Bedarfsanmeldung ist letzten Endes nicht das Ergebnis einer rationalen Entscheidungsfindung. Sie berücksichtigt in keiner Weise die gesamtwirtschaftlichen Vorzeichen und scheint eher dem Wunsch der Länder geschuldet, einen vor Jahren eingeschlagenen Weg auch konsequent zu Ende zu gehen.”
promedia: Herr Zimmer, Nielsen hat für das 1. Quartal für das Radio ein Umsatzplus verzeichnet und man hört von vielen Radiosendern, dass sich die Werbeumsätze auch im April und Mai positiv entwickeln. Können Sie diesen Trend für RTL Radio Deutschland bestätigen?
Gert Zimmer: Verglichen mit dem Vorjahr, welches deutlich hinter den Erwartungen lag, war das erste Quartal 2009 den Umständen entsprechend zufriedenstellend. Wobei die Nielsen Zahlen Preislisten-Werte sind, die weder gestiegene Rabatte noch den zunehmenden Anteil an Eigenwerbung der Radiosender berücksichtigen. Mit Blick auf das zweite Quartal müssen wir feststellen, dass sich auch die Radiobranche inzwischen spürbar im Sog schrumpfender Werbemärkte befindet. Alle Sender leiden unter den Einbrüchen vor allem der nationalen Vermarktung. Diese Verluste können nicht mehr durch eine bis jetzt sehr erfolgreiche regionale Vermarktung kompensiert werden. In Metropolen sieht es da minimal besser aus als in den Flächenländern. Hinzu kommt die zunehmende Kurzfristigkeit der Einbuchungen, die eine belastbare Planung der weiteren Geschäftsentwicklung erschwert.
promedia: Es hatte bisweilen den Anschein, als gehöre Radio zu den Gewinnern der Medienkrise?
Gert Zimmer: Grundsätzlich mag es bei der Betrachtung des ersten Quartals so aussehen, als seien die abverkaufsorientierten Mediengattungen wie Zeitung und Radio Nutznießer der Krise. Die Zeitungen legen im ersten Quartal brutto um 6,4 Prozent an Werbeeinnahmen zu, der Hörfunk sogar um 10 Prozent. Beim Radio ist diese positive Entwicklung in erster Linie der Automobilbranche und den Handelsunternehmen zu verdanken. Aber: Bereinigt um Sondereffekte, wie die Brutto-netto-Schere und Eigenwerbung der Sender, dürften die privaten Veranstalter tatsächlich kein oder nur ein leichtes Plus gegenüber dem Vorjahr in ihren Kassen spüren. Aber selbst das ist im Vergleich zu anderen Mediengattungen noch ein großer Erfolg.
promedia: Wie sieht Ihre Prognose für die nächsten Monate aus?
Gert Zimmer: Zum jetzigen Zeitpunkt ist jede Prognose zur Entwicklung mit Unsicherheiten behaftet. Niemand kann mit Bestimmtheit sagen, ob die Radiobranche die Rezession bereits hinter sich gelassen hat oder verspätet hineingerät. Für uns bedeutet das: strikte Kostendisziplin, Optimierung der Programmqualität und damit Steigerung der Reichweiten sowie die Erschließung alternativer Umsatzquellen. In diesem Zusammenhang appellieren wir an die Politik, dass es bei unserer wichtigsten Einnahmenquelle, der Werbung, nicht zu weiteren gesetzlichen Einschränkungen kommt. Die Überlegung seitens des Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Werbung für alkoholhaltige Getränke im Fernsehen und Radio pauschal auf die Zeit nach 20 Uhr zu verlegen, hätte für das Radio fatale Auswirkungen. Legale Produkte müssen legal beworben werden können.
promedia: Noch einmal zur aktuellen Situation: Wo sehen Sie die Ursachen für die dennoch tendenziell positive Entwicklung im Vergleich zu anderen Medien in den ersten Monaten?
Gert Zimmer: Die Stärken des Hörfunks sind Schnelligkeit, Flexibilität und die Fähigkeit, Hörer zu mobilisieren. Das sind Eigenschaften, die die Werbekunden momentan sehr schätzen und deshalb das Medium gezielt buchen. Neben anderen Faktoren hat sich die Abwrackprämie optimal geeignet, potenzielle Autokäufer über den Hörfunk anzusprechen und zu mobilisieren. Das ist vor allem in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eine der taktischen Stärken des Radios. Auch zurückhaltenden Konsumenten werden Kaufanreize gegeben. Positiv ist zudem die starke regionale Verwurzelung der Sender. Unsere Beteiligungen verfügen über starke Marken innerhalb der Verbreitungsgebiete und kennen die Marktgegebenheiten und Bedürfnisse der Kunden sehr gut. Und die Werbekunden wissen wiederum, wie sie gezielt über unsere Marken mit ihren Botschaften und Produkten die Konsumenten erreichen. Und das zu einem sehr guten Preis- / Leistungsverhältnis. Deshalb kann die regionale Vermarktung im ersten Quartal bei den meisten Sendern ein gutes Ergebnis vorweisen.
promedia: Immer mehr Hörer hören Radio über das Internet, welche Konsequenzen ergeben sich daraus für Ihre strategische Planung?
Gert Zimmer: Wir müssen da sein, wo die Hörer beziehungsweise wo die Nutzer sind. Und das ist zunehmend auch Online. Das Internet ist für uns eine Plattform mit zahlreichen Optionen: Wir nutzen es als Marketingtool, wir arbeiten verstärkt mit Visualisierung, wir positionieren Marken losgelöst von der analogen UKW-Welt und wir investieren in Line- und Brand Extensions. Wir sprechen also über zusätzliche Kanäle, um kleinere Zielgruppen optimal bedienen zu können. Wir sprechen über Applikationen auf mobilen Endgeräten. Und wir sprechen über neue Angebotsformen, die gezielt die für das Internet typische Vernetzung und Interaktion ermöglichen. Mittelfristig sehen wir das Internet als zweite Säule der Programm- und Angebotsverbreitung für Hörfunksender. Interessant ist in diesem Zusammenhang das mobile Internet via LTE (Long Term Evolution) und MBMS (Multimedia Broadcast Multicast Services). Unabhängig hiervon bleibt unser Kerngeschäft aber sicherlich noch über viele Jahre hinweg die UKW-Verbreitung.
promedia: Wird es mehr RTL-Web-Radio- Angebote geben?
Gert Zimmer: Die gibt es bereits. Unsere Beteiligungen bieten zahlreiche, individuelle Online- Zusatzprogramme an. Über das Konsortium Digital 5 gibt es einen Pool an Kanälen, die die Sender nutzen können. Das funktioniert sehr gut.
promedia: Nach Aussagen von Martin Stadelmaier wollen die Länder jetzt schnell die Voraussetzungen für die terrestrische Digitalisierung des Radios schaffen. Wie dringlich ist das Band III für die Radiosender?
Gert Zimmer: Wenn die Politik bei der Einführung der terrestrischen Digitalisierung Dringlichkeit suggeriert, dann ist das aus meiner Sicht für viele Anbieter Beihilfe zur Fahrt in eine Sackgasse. Die Bedarfsanmeldung ist letzten Endes nicht das Ergebnis einer rationalen Entscheidungsfindung. Sie berücksichtigt in keiner Weise die gesamtwirtschaftlichen Vorzeichen und scheint eher dem Wunsch der Länder geschuldet, einen vor Jahren eingeschlagenen Weg auch konsequent zu Ende zu gehen. Jetzt kann man sich hinstellen und sagen, man habe alles getan, um den Grundstein für eine zügige Digitalisierung zu legen. Die Realität sieht inzwischen aber anders aus. Eine Dringlichkeit ist zu Recht bei keinem privaten Radioveranstalter vorhanden.
promedia: Es sind trotzdem drei Abdeckungen – zwei regionale und eine nationale – geplant. Wird RTL Radio Deutschland überhaupt mit neuen Angeboten vertreten sein?
Gert Zimmer: Es ist gar nicht sicher, ob es diese drei Bedeckungen geben wird. Die Länder halten sich bei den regionalen Bedarfsanmeldungen zurück. Diese Zurückhaltung zeigt, dass wir richtig mit unserer Einschätzung liegen, der terrestrischen Digitalisierung strategisch keine übergeordnete Rolle mehr zuzuschreiben. Es handelt sich um kein marktgetriebenes System.
promedia: Das hat schon einmal anders geklungen. Haben sich die Rahmenbedingungen denn im Vergleich zu vor zwei – drei Jahren wesentlich verändert?
Gert Zimmer: Ganz dramatisch sogar. Allen voran zwingen uns die wirtschaftlichen Veränderungen dazu. In den Budgets ist kein Platz mehr für digitale Versuche im Band III vorhanden. Darüber hinaus verändert sich der Online-Bereich mit zunehmender Geschwindigkeit. Und es führt kein Weg an der Einsicht vorbei, dass die versuchte DVB-H Einführung alles andere als ein Erfolg war. Was bleibt ist die große Unsicherheit, dass die digitale Terrestrik für das Radio strukturbedingt einen ähnlichen Verlauf wie DVB-H nimmt. Wenn man dann noch bedenkt, dass eine Umstellung momentan nur über die Einnahmen aus dem analogen Geschäft finanzierbar wäre, so müssen wir sagen, dass es leider keine Bestrebungen gegeben hat, die Konsolidierung des UKW-Marktes auch nur ansatzweise zu forcieren. Ganz im Gegenteil: Während wir seit Jahren auf die Dringlichkeit zur Bildung von Senderfamilien hinweisen – mehr Programme aus einer Hand – die Fungibilität von Beteiligungen fordern sowie den Abbau der UKW-Mehrfachversorgung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, echten Wettbewerb beim Sendernetzbetrieb oder die Liberalisierung des Kartell- und Medienkon-zentrationsrechts, es bleiben sämtliche Vorschläge ungehört. Stattdessen sehen wir uns plötzlich mit einer überflüssigen, aber massiv von der ARD angeregten Debatte über eine zeitnahe UKW-Abschaltung konfrontiert.
promedia: Wäre ein solcher analoger switchoff nicht von Vorteil für die RTL-Radiogruppe?
Gert Zimmer: Wer hätte einen Vorteil, wenn mit dem UKW-Netz der mit Abstand am meisten genutzte und überaus erfolgreiche Übertragungsweg abgeschaltet würde? Das UKW-Signal verfügt über eine gigantische technische Reichweite, ist stabil und es gibt rund 300 Millionen Empfänger im Markt. UKW ist die wirtschaftliche Basis für alle anderen Bereiche, in die das Radio investiert. Da es keinen vergleichbaren Übertragungsweg gibt und in dieser proprietären Form auch nicht mehr geben wird, wäre der analoge switch-off das Aus für die kommerziellen Radiosender in Deutschland und damit auch das Aus für sämtliche Formen der Entwicklung anderer Plattformen. Allerdings gibt es bei der Thematik einen Blickwinkel, aus dem ich den Vorschlag der ARD sehr begrüße: Vielleicht sollte man die Forderung so verstehen, dass sie für die ARD-Sender gilt. Die Gebühren finanzierten Sender wären somit digital empfangbar. Frei werdende Frequenzen könnten den privaten Sendern zur Verfügung gestellt werden. Auf diesem Weg käme es zu einer aktiven Förderung der Digitalisierung und die Schieflage des dualen Systems im Hörfunkbereich könnte ausgeglichen werden.
promedia: Jetzt hört man immer wieder, dass das Radio trotz allem finanziell in guter Verfassung zu sein scheint, damit dürften die Finanzierung neuer Angebote und eine Simulcast- Ausstrahlung nicht so schwierig sein?
Gert Zimmer: Ich weiß nicht, woher Sie die Information haben, dass das private Radio finanziell in einer guten Verfassung sein soll. Wir sprechen über einen Bruchteil der bestehenden Privatsender, die wirklich die Kraft haben, mehr oder weniger unbeschadet durch die Krise zu kommen. Viele Anbieter werden 2009 keinensignifikanten Gewinn machen oder in die Verlustzone rutschen. Das ist die Realität. Die Sinnhaftigkeit von neuen Angeboten und Simulcast-Ausstrahlungen muss demnach sehr genau hinterfragt werden. Bei Verlusten und zusätzlichen Ausgaben, die nicht refinanzierbar sind, liegt die Entscheidung schnell auf der Hand.
promedia: Wer soll das neue Sendernetz finanzieren?
Gert Zimmer: Die privaten Radiosender sind wirtschaftlich nicht in der Lage, die Kosten für die digitale Infrastruktur zu tragen. Auch wenn verbindliche Kostenangaben noch nicht vorliegen, so ist davon auszugehen, dass allein die drei zur Disposition stehenden Multiplexe Investitionen in Höhe von dreistelligen Millionenbeträgen erfordern. Diesen Kosten stehen weder Endgeräte und Nutzer noch geeignete Geschäftsmodelle gegenüber, die eine Refinanzierung ermöglichen. Wenn es weiterhin politisch gewollt ist, dass es für den Hörfunk ein proprietäres digitales Sendernetz geben soll, dann kann der Aufbau nur über staatliche Mittel funktionieren. Unser Vorschlag ist in dem Fall, dass sich die öffentlich-rechtlichen Sender von ihrem Sendernetzbetrieb, der sowieso nicht zu den Kernaufgaben Gebühren finanzierter Anstalten gehört, trennen. Die Erlöse aus diesem Verkauf könnten genutzt werden, um den Aufbau der Infrastruktur im Band III zu finanzieren. Durch diese Maßnahme könnte es auf der einen Seite zu mehr Wettbewerb beim Sendernetzbetrieb kommen, auf der anderen Seite hätte der digitale Hörfunk ein belastbares und verbreitungsstarkes Sendernetz, welches allen Beteiligten Planungssicherheit geben würde. Sofern der Aufbau der Infrastruktur nicht in einem solchen Rahmen erfolgt, sehen wir aber keine Chance für eine erfolgreiche Einführung der digitalen Terrestrik.
promedia: Aber gibt es vielleicht noch Fragen, die geklärt werden müssen, um dann doch noch die digital terrestrische Verbreitung starten zu können?
Gert Zimmer: Die Fragen sind geklärt. Jetzt geht es darum, mit den veränderten Rahmenbedingungen zu leben und die Planungen hierauf abzustellen. Wir gehen davon aus, dass die terrestrische Digitalisierung nicht so stattfinden wird, wie sie vor zwei oder drei Jahren geplant wurde. Im Online-Bereich sieht es anders aus: Da sind wir mitten in der Digitalisierung. Bei unseren Beteiligungen und Digital 5 gibt es zahlreiche spannende Ansätze, die in den kommenden Monaten intensiv ausgebaut werden. Auf diese Themen wollen wir uns konzentrieren.
Über Gert Zimmer:
Gert Zimmer Geboren: 7. Februar 1964
Studium der Nachrichtentechnik
Praktikum bei Armed Forces Radio and Television (AFN)
Ab 1984 Redakteur, Moderator, Musikchef und Programmdirektor bei mehreren Radiosendern
1989 Berater der BCI-Rundfunkberatung
1993 – 2003 Geschäftsführender Gesellschafter der BCI Group
Seit 2004 CEO der RTL Radio Deutschland, Berlin, und Senior Vice President Radio Central and Northern Europe der RTL Group, Luxemburg
Von Dagny Kleber – Promedia Redaktion / Promedia Ausgabe 05/2009
Mobile Reader – Für Buchverlage ein Alptraum, für Zeitungsverlage ein
Hoffnungsträger Neuer eBook-Reader von Amazon soll auch für Tageszeitungen geeignet sein
Die Digitalisierung von Inhalten und deren schier unbegrenzte Verbreitung und Verfügbarkeit im Internet entfacht immer wieder heftige Diskussion um den Missbrauch dieser Inhalte bzw. die Verletzung von Urheberrechten in der digitalen Welt.
Die Angst vor illegalen Downloads und grenzenloser Nutzung von geistigem Eigentum beschäftigt nicht nur die Musik- und Filmbranche, sondern auch die des gedruckten Wortes.
Manifestiert hat sich diese Befürchtung unter anderem im Aufruf „Für Publikationsfreiheit und die Wahrung des Urheberrechts” des Heidelberger Philologen und Professors für neuere deutsche Literaturwissenschaft, Roland Reuß.
Appell gegen Urheberrechtsverletzung
In dem so genannten „Heidelberger Appell”, der zahlreiche prominente Unterzeichner fand, darunter Autoren wie Hans Magnus Enzensberger, Daniel Kehlmann, Günther Grass oder den ZEIT-Herausgeber Michael Naumann, forderte Reuß dazu auf, das „verfassungsmäßig verbürgte Grundrecht von Urhebern auf freie und selbstbestimmte Publikation” zu schützen.
Massiv bedroht sehen die Unterzeichner des Appells das Urheberrecht sowie die Presse- und Publikationsfreiheit nicht nur durch die akademische Open-Access-Bewegung, die unter anderem von der „Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen” (Mitglieder: Wissenschaftsrat, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Leibniz-Gesellschaft, Max Planck-Institute u. a.) unterstützt wird, sondern vor allem durch die Massendigitalisierungsaktivitäten von Google, die einer Enteignung gleichkomme. Kürzlich kündigte Kulturstaatsminister Bernd Neumann an, auf europäischer Ebene gegen die Aktionen von Google vorzugehen.
„Wissen der Welt” von Google
Im Dezember 2004 begann der Suchmaschinenanbieter unter dem Namen „Google Library Project” (Buchsuche-Bibliotheksprogramm) komplette Bestände amerikanischer Universitäts- und öffentlicher Bibliotheken zu scannen. Mittels des Buchsuchprogramms „Google Books” werden die digitalisierten Schriften verfügbar gemacht und zur Volltextsuche freigegeben.
Mittlerweile wurden so in den USA über sieben Millionen Bücher gescannt – darunter auch Zehntausende von Büchern deutscher Verlage. Google kommt damit seinem Vorhaben, das „Wissen der Welt” zu digitalisieren, einen großen Schritt näher. Das Google- Bibliotheksprogramm soll nach eigenen Angaben des Unternehmens, „Nutzern bei der Suche relevanter Bücher helfen – besonders bei solchen Büchern, die sie über andere Wege nicht finden würden, wie beispielsweise vergriffene Bücher”.
Problematisch an dieser Massendigitalisierung ist jedoch, dass auch urheberrechtlich geschützte Werke davon betroffen sind. Google zeigt seinen Usern kurze Ausschnitte der Bücher („snippets”) an, ohne dass die Berechtigten zuvor zugestimmt haben. Während Google dies als ein nach USUrheberrecht zulässigen „fair use” betrachtete, handelte es sich dagegen für die amerikanische Authors Guild, die Association of American Publishers (APA) sowie einzelne Autoren und Verlage um eine Verletzung des Urheberrechts und sie strengten im Herbst 2005 eine so genannte Class Action an. Die Ergebnisse dieser dem deutschen Zivilrecht unbekannten Verfahrensart gelten nicht nur für die beteiligten Streitparteien, sondern für eine ganze Klasse von Akteuren, in diesem Fall also auch nichtamerikanische Autoren und Verleger, deren Bücher in den USA erhältlich sind.
Deutsche Verleger müssen sich bis September entscheiden
Im Oktober 2008 endete das Class-Action- Verfahren mit einem Vergleich, dem so genannten Google Books Settlement, der nach seiner endgültigen Genehmigung (Approval) vom zuständigen New Yorker Gericht im Oktober auch für deutsche Verlage und Rechteinhaber in Kraft tritt, sofern sie nicht bis zum 4. September 2009 von ihrem Recht auszutreten Gebrauch machen („optingout”) und eigene Vereinbarungen mit dem Unternehmen treffen. Google erhält nach dem Vergleich weitreichende Zugeständnisse und Nutzungsrechte an vergriffenen Büchern, sofern deren Copyrightinhaber ihren Titel nicht vollständig herausgenommen haben und kann etwa Online-Zugriffe auf komplette Inhalte einzelner Bücher an Einzelkunden verkaufen.
37 Prozent der erzielten Erlöse bleiben bei Google, die übrigen 63 Prozent werden an den Rechteinhaber ausgeschüttet. Für die bereits gescannten über sieben Mio. Werke zahlt das Unternehmen 60 US$ pro Buch als eine Art Schadenersatz an den Rechteinhaber, aber stellt insgesamt nur 45 Mio. US$ dafür zur Verfügung. Diese Vergütungsansprüche entfallen, wenn der Copyrightinhaber vom optingout Gebrauch macht. Voraussetzung für die genannten Zahlungen ist eine Registrierung eines jeden Rechteinhabers bei der neu zu gründenden Book Rights Registry, eine Art Abrechnungsdatenbank und Verwertungsgesellschaft in einem.
Kritik aus Deutschland
In Deutschland wird dieser Vergleich sehr kritisch gesehen. Dass ein Urheber sein Recht erst geltend machen kann, nachdem er sich registriert hat, widerspricht für den Justiziar des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Christian Sprang, einem wichtigen Prinzip des Urheberrechts, das eigentlich einen automatischen Schutz des Schöpfungsaktes vorsieht. Daneben gibt es noch andere Gründe für Sprang und den Börsenverein, den Vergleichsvorschlag abzulehnen. Äußerst kritikwürdig sei, dass Google urheberrechtlich geschützte vergriffene Werke ohne vorherige Genehmigung des Autors nutzen darf. Stattdessen müsse der Urheber unerwünschten Nutzungen seiner Werke hinterher laufen, um sie zu verhindern. Dass Google lediglich 45US$ Mio. und nicht 360 Mio. US$ für bereits gescannte Bücher bereitstellt, zeige, dass das Unternehmen damit rechnet, dass nicht jeder Berechtigte – vor allem europäische Autoren – von der Nutzung seines Werkes erfahre und somit sein Buch gar nicht registrieren lasse.
Insgesamt fürchten Sprang und der Börsenverein, dass „Google auf zukunftswichtigen Gebieten des weltweiten Buchmarkts eine monopolartige Stellung” erreicht, wodurch die kulturelle Vielfalt ebenso wie die wirtschaftliche Existenz von kleinen und mittleren Unternehmen bedroht sei. Daher wird der Börsenverein seine Einwände gegen den Vergleich („Objections”) innerhalb der bis zum 4. September verlängerten Frist einbringen. Genehmigt das Gericht den Vergleich, „greift die VG Wort ein und wird kollektiv die Rechte deutscher Autoren in der Weise wahrnehmen, dass sie die deutschen Bücher wieder aus dem Settlement entfernt werden (Removal)”, erklärt Sprang.
Die Vorteile der Digitalisierung bestehen für Sprang darin, dass vergriffene Werke, „die der Verlag selbst nicht bewirtschaftet, plötzlich wieder ein neues kommerzielles Leben bekommen” oder dass schwer zugängliche Bücher für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich werden. Sprang sieht in der Digitalisierung neben den Risiken der illegalen Kopie und Verbreitung durch Raubkopierer auch „die Chance für die Rechteinhaber, Autoren und Verleger von Büchern zusätzliche Nutzungen zu stimulieren und Einnahmen zu generieren”.
Neue Lesegeräte auch für Zeiungen
Doch nicht nur Google verspricht sich ein lukratives Geschäft mit elektronischen Büchern, sondern auch Amazon und Sony, die in den letzten Monaten neue Lesegeräte für eBooks auf den Markt gebracht haben. Künftig sollen diese eBooks, natürlich kostenpflichtig, aus dem Internet geladen und auf den Readern gelesen werden können. Was für die Buchverlage gegenwärtig noch ein Alptraum ist, könnte für Zeitungen zu einem Hoffnungsträger werden.
Nach der Präsentation des neuen eBook-Readers „Kindle DX” im A-4-Format von Amazon Anfang Mai 2009, steigt vor allem in der amerikanischen Zeitungsbranche die Hoffnung auf einen weiteren Vertriebsweg für kostenpflichtige Abos. Obwohl derartige Geräte in Deutschland nur vereinzelt auftauchen, „beobachtet die deutschsprachige Verlagslandschaft natürlich die Entwicklung”, sagt Ulrik Deichsel, Head of Business Development bei Wizpak Ltd. Ein Produkt des Starup-Unternehmens ist der so genannte Txtr Reader, der zur Frankfurter Buchmesse im Oktober auf den Markt kommen soll.
Das Gerät eignet sich mit seinem 6-Zoll-Display vor allem zum Lesen von digitalen Büchern oder Texten. Die Abbildung ganzer Zeitungen ist noch nicht geplant, wobei News für Deichsel grundsätzlich sehr sinnvoll auf dem mobilen Reader sind. Hier müssten die Zeitungen jedoch erst ein neues Format entwickeln, so Deichsel.
Mobile Reader auch aus Deutschland
Deichsel und seine Kollegen sind sich der Konkurrenz zu den mächtigen Medienunternehmen wie Sony und Amazon sehr wohl bewusst. Allerdings sehen sie sich damit in ihrer Geschäftsidee bestätigt und sind dankbar, „dass Amazon für uns den Markt eröffnet hat”. Bei einem Preiskrieg oder einer Werbeschlacht seitens Sony oder Amazon hätten sie zwar sicherlich die schlechterenKarten, aber da hilft die Überzeugung, mit dem Txtr Reader das bessere Gerät anzubieten.
Als wichtiges Alleinstellungsmerkmal des Gerätes hebt Deichsel die schnelle und flüssige Bedienbarkeit hervor. Ein weiterer Vorteil ist die Verbindungsmöglichkeit mit dem Mobilfunk, die einen PC bzw. das Installieren einer Software obsolet macht. Die Folgen der eBook-Entwicklung für die Buchbranche stellen sich nach Deichsels Meinung unterschiedlich dar. Während sich für den Autor zunächst wenig ändere, werde es für Verlage schwieriger, sich zu behaupten.
Im Internet bilde sich um den Autor eine Attention Economy. Er schaffe in Blogs etc. seine eigene Marke und ist auf einen Verlag nicht mehr so sehr angewiesen wie früher, schätzt Deichsel. Insgesamt werde die Kostenstruktur billiger, weil kein Papier und Transport nötig sind.
„Frech aber hilfreich”
Die Problematik des Urheberrechts in der digitalen Welt liegt für Deichsel vor allem in der Durchsetzbarkeit von rechtlichen Bestimmungen. Unbestritten sei das Recht des Autors am eigenen Werk, aber dieses Recht könne ihm in der digitalen Welt wesentlich einfacher genommen werden. Wohin ein zu restriktives Digital Rights Management (DRM) geführt habe, zeigen die Entwicklungen in der Musik- und Filmbranche. Aus deren Fehlern soll die Buchbranche unbedingt lernen, fordert Deichsel, „daher raten wir eigentlich allen Verlagen davon ab, das zu restriktiv einzustellen”.
Faktisch habe sich bereits ein Branchenstandard um das Adobe System herausgebildet, bei dem der Verlag die Anzahl der Kopien pro Titel einstellen kann. Auch das Zurückverfolgen von Kopien mit Hilfe von digitalen Wasserzeichen (Watermarking) hält Deichsel für einen guten Kompromiss. Ob durch die eBook-Entwicklung mehr Raubkopien entstehen, sei fraglich. Das Vorgehen von Google ist in Deichsels Augen zwar frech, aber auch in gewisser Weise hilfreich, „weil es alle Beteiligten aufgerüttelt und dazu gebracht hat, sich selbst Gedanken zu machen”.
Schließlich hätten die Verlage so die Möglichkeit, mit vergriffenen Büchern noch einmal Geld zu verdienen und für die Leser entstehen auch erhebliche Vorteile. Ob das gedruckte Wort durch die Digitalisierung bedroht ist, vermag niemand vorauszusehen. Die Diskussionen um den Schutz des Urheberrechts in der digitalen Welt und die Chancen und Risiken werden aber Dank Google & Co. mit Sicherheit an Intensität zunehmen.
Promedia Editorial von Helmut Hartung – Promedia Ausgabe 06/2009
Zeitungen und Zeitschriften befinden sich in einem scheinbar chancenlosen Wettbewerb mit dem Internet. Es geht um Werbeumsätze und Leser, um Absatzmärkte und Zukunftsfähigkeit. Online ist den Printmedien in vielem überlegen:
Es ist aktueller, bietet Bewegtbild, verfügt über ein schier unendliches Archiv und es schafft den Werbekunden mehr Raum und neue Möglichkeiten. Dazu kommt, dass sich viele Inhalte kostengünstiger zum User transportieren lassen als über das gedruckte Medium zum Leser. Doch die Printmedien verfügen noch immer über viele Vorteile gegenüber den digitalen Konkurrenten.
Dazu gehören die starke journalistische Kompetenz, die Möglichkeit ohne langes Suchen Inhalte zu vertiefen und zu verknüpfen, die sogenannte interne Hyperstruktur. Außerdem kann sich der Leser überraschen lassen und bekommt Informationen geboten, die er nicht gesucht hat, die aber für ihn dennoch wichtig sind. Auch kann man die Zeitung bequem an Orten lesen, an die man kaum das Notebook mitnehmen würde.
Zudem haben die Printmedien eine höhere Glaubwürdigkeit, sie bieten Orientierung, während das Internet den User oft ratlos entlässt. Optimal ist anscheinend eine engere Verknüpfung von Print und Online, wie es verschiedene Verlage seit einiger Zeit versuchen, zumal die gedruckten Blätter ihre Onlineableger noch für längere Zeit finanzieren müssen.
Entscheidend für die Verlage ist es, die Vorzüge des jeweiligen Verbreitungsweges stärker zu profilieren und die Inhalte miteinander zu vernetzen. Dann sind die Inhalte, die von den Printmarken ins Internet gestellt werden, auch den Suchmaschinen, den nichtprofessionellen Inhalteanbietern, dem Sammelsurium des User-generierten Contents überlegen. Es ist also kein Wettlauf gegen die Zeit, sondern die Zeit arbeitet für den Qualitätsjournalismus á la Print auch im Internet.